Wenn die Welt retten zur Last wird

Warum innere Stabilität entscheidend ist.

von Silke Knöbl, Januar 2025

Wer die Welt verändern will, tut dies oft mit grosser Leidenschaft. Menschen, die Veränderung gestalten – sogenannte Changemaker – engagieren sich für Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Themen. Doch dieses «Engagement» gleicht oft einem Kampf: ein «Wir gegen die anderen», besonders wenn andere sich nicht verändern wollen oder den Wandel blockieren.

Doch wie fühlt es sich an, wenn man «kämpfen» muss? Das Wort allein deutet auf Widerstände hin, die nicht nur im Aussen liegen, sondern oft auch tief in uns selbst. Dieser unermüdliche Einsatz, gepaart mit inneren Konflikten, führt häufig zu Überlastung – bis hin zum Burnout.

Gefangen in sich selbst, zwischen dem Wunsch, die Welt zu verändern, und der Realität, die sich oft nicht so schnell bewegen lässt, wie man es sich erhofft, wächst ein Gefühl der Erschöpfung und der Ohnmacht.

Man kann andere nicht verändern – nur sich selbst. Und genau dort beginnt der eigentliche Wandel.

Vom Kämpfen zum Ankommen bei sich selbst
Viele Menschen, die Veränderungen bewirken wollen, haben vielleicht gar keine klare innere Ausrichtung (oder folgen einer, die nicht ihre eigene ist) – und fühlen genau diesen Druck, diesen sogenannten Purpose «finden zu müssen». Diese Suche nach Bedeutung bzw. Zweck wird oft von Erwartungen begleitet, die von aussen oder durch innere Anteile geprägt sind: Stimmen, die sagen «Du musst mehr tun», «Du bist nicht genug» oder «Es liegt alles an dir». Dies führt in einen gefährlichen Kreislauf aus Überforderung, Selbstzweifeln und inneren Konflikten. Oft zeigt sich das auch körperlich, zum Beispiel sich machtlos fühlen, kann zur Ohnmacht führen.

Innere Stabilität bedeutet, diese inneren Anteile wahrzunehmen und sie anzunehmen, ihre Botschaften zu verstehen. Das heisst, mit den eigenen Bedürfnissen, Gefühlen, Werten und Grenzen in Kontakt zu treten und sich selbst Raum für Reflexion zu geben. Und jeder dieser Anteile hat eine Funktion für das Selbst. Anteile, die man beispielsweise lieber verdrängen möchte, haben mitunter eine wichtige schützende Rolle inne. Nur wer aus dieser inneren Stärke heraus handelt, kann langfristig im Aussen wirksam sein – ohne daran auszubrennen.

Die Qualität der Stille
Im systemischen Coaching und der Prozessbegleitung unterstütze ich Menschen dabei, innezuhalten, ihre inneren Anteile in den Fokus zu rücken und sie anzuerkennen. Vom Denken ins Fühlen zu kommen und Resonanz mit sich selbst aufzunehmen. Es geht darum, die innere Vielstimmigkeit zu akzeptieren und aus ihr heraus zu handeln. Das bedeutet auch, loszulassen: Perfektionismus, den Drang, immer «mehr» (vom Gleichen) zu tun, und die Angst, nicht genug zu sein. Meist folgt auf die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann, eine Phase der Krise. Diese Zeit kann herausfordernd sein, weil die eigenen inneren Schatten sichtbar werden. Sie ist aber notwendig, um innezuhalten und still zu werden und so wirklich bei sich selbst anzukommen. Aus dieser inneren Ruhe und Reflexion heraus können sich neue Handlungsoptionen entwickeln, die nicht aus dem Druck des «Machens», sondern aus innerer Klarheit entstehen.

Die Haltung zu verändern – sich zu verändern – braucht Zeit. Jeder Mensch ist individuell, und persönliche Entwicklung folgt keinem starren Zeitplan. Wer Stabilität in sich selbst findet, kann seine Mission – und letztlich sein Leben – mit Klarheit, Kraft und Leichtigkeit leben. So wird langfristige Handlungsfähigkeit möglich, und auch die Beziehungen – zu anderen und zur eigenen Natur – verändern sich nachhaltig.

Bildquelle:
Pexels_Pixabay

Autorin:
Silke Knöbl ist Prozessbegleiterin/systemische Coachin und Kommunikationsspezialistin. Sie befasst sich vor allem mit Selbstwirksamkeit, (Bürger-)Beteiligung und Transformation. Weitere Blogbeiträge von ihr finden sich in Silky Way – das Impactblog.

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