Wie Beteiligung die (direkte) Demokratie stärkt

Warum es «Mitgestaltung auf Augenhöhe» braucht.

von Silke Knöbl, Februar 2024

Das Zentrum für Demokratie in Aarau hat 2023 ein Beteiligungsformat getestet, das direkte Demokratie mit deliberativer Demokratie zu kombinieren versuchte. Thema: Abstimmung zur kantonalen «Klimaschutz-Initiative» (Demoscan Aargau, Infos aus Webinar von Mehr Demokratie).

Teilnehmende: 
Zufällig ausgeloste Personen aus dem Kanton Aargau (in diesem Fall nur Stimmberechtigte)

Ziel:
Die ausgelosten Teilnehmenden sollten Informationen sowie jeweils 3 Pro- und Kontra-Argumente für einem Flyer erarbeiten und gegenüberstellen. Dieser Flyer sollte vor der Abstimmung den Stimmberechtigten zur Verfügung gestellt werden.

Dafür wurde ein Beteiligungsformat konzipiert, bei dem sich die ausgelosten Menschen ausführlich mit der Vorlage beschäftigten. Befürworter und Gegner haben ihre Argumente vorgetragen, die gelosten Menschen konnten sie befragen. Darüber hinaus waren verschiedene Fachpersonen da, die ebenso befragt werden konnten. Danach haben sich die Teilnehmenden mit der Initiative befasst und den Flyer erarbeitet – natürlich alles extern begleitet.

Ergebnis: 
– Stimmberechtigte haben den Flyer genutzt.
(Aus weiteren Abstimmungen ist bekannt, dass rund ein Drittel der Stimmberechtigten bei Wahlen oder Abstimmungen gar nicht weiss, worüber es abstimmt.)

Erkenntnisse:
– Der Flyer trug zum Wissen und zum Verständnis für Pro und Kontra bei und konnte neutral informieren.
– Das Alter spielte keine Rolle; je besser die Ausbildung, desto mehr wussten die Stimmberechtigten über die Vorlage.
– In den Vergleichsgemeinden wussten eher rechts eingestellte Personen nicht, worum es bei der Klimainitiative ging. Die Initiative kam nämlich «von links», nach dem Motto «also muss ich sie sowieso ablehnen». (Anmerkung von mir: Ich nehme an, dass das auch umgekehrt so ist. So oder so ist für mich dieses Politikverständnis zu hinterfragen.)
– Bezüglich Stimmentscheidung und -beteiligung gab es keine nennenswerten Effekte.

Nutzen/Wirkung allgemein (ein paar ausgewählte Punkte):
– Gut konzipierte und durchgeführte Beteiligung ist wertvoll für die Stimmbevölkerung.

– Beteiligungsverfahren sind wertvoll, weil sie auch jene Menschen einbeziehen können, die nicht wählen dürfen. Und das ist mittlerweile eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen, die überhaupt keinen Einfluss auf demokratische Prozesse hat.

– Gut gemachte Beteiligung öffnet das Verständnis füreinander – Menschen brauchen einander – und fördert die politische Bildung.

– Gut gemachte Beteiligung muss (politisch) gewollt und anschlussfähig sein.

❤️Meine persönlichen Wünsche zu Beteiligung:
Ich wünsche mir, dass (direkte) Demokratie breiter gedacht und umgesetzt wird. Denn eine gute (direkte) Demokratie besteht nicht nur aus «Informiert und befragt werden» und «abstimmen und wählen». Vielmehr besteht sie aus «Mitgestalten auf Augenhöhe». Das muss man fördern und auch wollen. Gerade Letzteres bewirkt Selbstwirksamkeit und die Erfahrbarkeit von Demokratie.

Menschen sehen in gut konzipierten und begleiteten sowie gut kommunizierten Beteiligungsverfahren auch, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Damit wird auch Lobbyismus und Populismus entgegengewirkt.

Ich wünsche mir auch, dass sich wieder mehr Menschen für Demokratie interessieren, um sie miteinander wertschätzend und empathisch zu gestalten. Mit denen «da oben» genauso wie mit jenen Menschen, mit denen man auf den ersten Blick überhaupt nichts gemeinsam hat. Schliesslich sind wir alle Demokratie.

 

Bildquelle:
textimum.li

Autorin:
Silke Knöbl mit und ohne KI ist Prozessbegleiterin für partizipatives Gestalten mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sowie Kommunikationsexpertin. Sie befasst sich vor allem mit (Bürger-)Beteiligung und Transformation und bringt auch demokratische Innovationen in Unternehmen, Schulen und Organisationen. Weitere Blogbeiträge von ihr finden sich in Silky Way – das Impactblog

 

 

zur Übersicht